Stethophyma grossum

Frisch, Johannes, 2019, Naturschutzgebiets Haimberg bei Mittelrode und angrenzender Flächen (Insecta, Orthoptera), Beiträge zur Naturkunde in Osthessen 55, pp. 229-244 : 239-240

publication ID

https://doi.org/10.5281/zenodo.15257850

DOI

https://doi.org/10.5281/zenodo.15257795

persistent identifier

https://treatment.plazi.org/id/C03F87F5-FF9A-FFFE-FCCA-FD28FA1BF79E

treatment provided by

Carolina

scientific name

Stethophyma grossum
status

 

Ein untypisches Habitat von Stethophyma grossum View in CoL auf dem Haimberg

Die euroasiatische Sumpfschrecke ( Abb. 10 View Abb ) ist in ganz Mitteleuropa verbreitet und aus allen Teilen Deutschlands bekannt (DETZEL 1998: 390). Stethophyma grossum wird allgemein als stenöker Biotopwertzeiger für feuchtes bis nasses, durch Mahd oder Beweidung genutztes Extensivgrünland eingestuft, so für seggenund binsenreiche Feucht- und Nasswiesen (Calthion), Grossseggenrieder (Magnocaricion) und Grabenränder bis hinzu natürlichen Schwingrasen von Mooren und Verlandungsgesellschaften der Gewässer (vgl. BELLMANN 1993: 240; DETZEL 1998: 393; HEMP 2002: 60; HEYDENREICH 1999: 52, 71, 101; KOSCHUH 2005: 226, 227; MARZELLI 1997: 118, 119). Die Bindung an Feuchtgrünland wird primär mit der experimentell nachgewiesenen, geringen Austrocknungsresistenz der Eier, die im Winterhalbjahr Kontaktwasser durch hohen Grundwasserstand oder zeitweise Überflutung des Lebensraums benötigen, erklärt (HEYDENREICH 1999: 61–63, INGRISCH 1983: 12, MARZELLI 1997: 112–116). Aufgrund dieser engen Bindung an bodenfeuchtes Extensivgrünland sprechen DETZEL et al. (2005: 331, 341) S. grossum eine hohe Planungsrelevanz zu und sehen eine Gefährdung durch Trockenlegung und intensive Bewirtschaftung von Feuchtgrünland. KOSCHUH (2005: 228) weist auf die Gefährdung der Sumpfschrecke durch die grossflächige Umwandlung feuchten Grünlands in Maiskulturen hin. Im Gegensatz zu INGRISCH & KÖHLER (1998) erkennen MAAS et al. (2011) aufgrund einer nicht näher erläuterten Häufigkeitszunahme keine bundesweite Gefährdung mehr. INGRISCH (1976a: 47) kannte nur fünf lokale Vorkommen im Vogelsberg auf nassen Riedwiesen. JENRICH (1997: 53, 54) traf S. grossum in der Rhön auf Feuchtwiesen der Bachauen zwar recht häufig an, doch wiesen die meist isolierten, kleinflächigen Feuchtstellen nur geringe Individuenzahlen auf.

Im Untersuchungsgebiet existiert eine individuenarme Population der Sumpfschrecke südwestlich des Haimbergs auf den drainagierten Frischwiesen um die kanalisierte, bis zu einem Meter unter dem Wiesenniveau liegende Saurode. Ein weiteres Vorkommen auf den Hangwiesen im Nordosten des Haimbergs, die weder feuchte Gräben noch seggenbestandene, staunasse oder quellige Bereiche aufweisen, steht noch weniger im Einklang mit der allgemeinen Charakterisierung der Sumpfschrecke als anspruchsvolle Art seggenbestandener Feucht- und Nasswiesen. Stethophyma grossum besiedelt sowohl die zweischürigen Fettwiesen östlich Besges ( Abb. 11 View Abb ) als auch die Rinderweiden an der L 3418 südöstlich des Betriebsgeländes der Firma Küllmer. Da es sich nicht um Feuchtwiesen handelt, wundert es nicht, dass typische, hygrophile Begleitarten der Sumpfschrecke wie Chorthippus montanus auf diesen Wiesen fehlen (vgl. INGRISCH 1976c: 67, JENRICH 1997: 71). HEYDENREICH (1999: 52) fand S. grossum zwar auch auf Intensivgrünland, doch handelte es sich um grundwasserfeuchte oder im Winter überflutete Flächen. Für die Fettwiesen und Rinderweiden im Nordosten des Haimbergs kann eine hohe Bodenfeuchte wegen fehlender Feuchtezeiger in der Vegetation ausgeschlossen werden. Das Vorkommen in diesem völlig untypischen Habitat ist kaum mit Zuwanderung zu erklären, da die nähere Umgebung keine Feuchtwiesen oder Seggenriede als Fortpflanzungs- und Ausbreitungszentren aufweist. Die angrenzende Feldflur zwischen Haimbach, Schulzenberg, Rodges und dem Haimberg ist reines Ackerland, und nach Norden begrenzt das ausgedehnte Industriegebiet West die besiedelten Wiesen. Obgleich sich adulte Sumpfschrecken bis zu 1 km von ihrem Larvalhabitat entfernen können (MAAS et al. 2002: 282), erscheint eine Zuwanderung aus der individuenarmen Population im Tal der Saurode über den steilen, bewaldeten Kamm des Haimbergs oder gar aus den viele Kilometer entfernten Tälern der Fulda und Lüder höchst unwahrscheinlich. HEYDENREICH (1999: 66, 67) beschreibt zwar eine gewisse Migrationsfähigkeit der Sumpfschrecke, doch sollen nur einzelne Männchen weitere Strecken zurücklegen. Auf dem Haimberg wurden jedoch auch Weibchen ( Abb. 10 View Abb ) festgestellt. Vor dem Hintergrund, dass die Sumpfschrecke in Deutschland seit etwa 15 Jahren eine massive Ausbreitung erfahren hat und inzwischen auch Reproduktionsnachweise aus relativ trockenem Grünland vorliegen (STÜBING, in litt. 2019), ist auf dem Haimberg kaum von Zuwanderung auszugehen. Mehrjährige Beobachtungen der Sumpfschrecke liegen sogar von den schafbeweideten Halbtrockenrasen der Doline bei Rockensüss, Landkreis Hersfeld-Rotenburg, vor (DITTMAR & FLÜGEL 2017: 99). Die Autoren vermuten zwar Zuwanderung, doch bleibt die Entfernung zu potentiellen Reproduktionsorten unklar. Noch vor 20 Jahren war die Sumpfschrecke die anspruchsvollste Leitart der Feuchtwiesen in der hessischen Rhön (vgl. JENRICH 1997: 72). Vieles deutet darauf hin, dass S. grossum ihre ökologische Amplitude stark erweitet hat und kaum noch als Biotopwertzeiger für extensiv genutztes Feucht- und Nassgrünland herangezogen werden kann.

Kingdom

Animalia

Phylum

Arthropoda

Class

Insecta

Order

Orthoptera

Family

Acrididae

Genus

Stethophyma

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